Projektdaten
Status | Nominierung |
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Kategorie | Realisierte Bauwerke |
BauherrIn | CERATIZIT Austria GmbH |
PlanerIn | ATP architekten ingenieure |
Fertigstellung | 09.2022 |
Ort | Breitenwang |
Bildnachweis | ATP/Tom Bause |
Das Multifunktionsge- bäude für den weltweit führenden Anbieter innovativer Hartmetalllösungen ist ein beeindruckendes Ergeb- nis integraler nachhaltiger Planung.
Gestalt
Der neue Firmensitz von CERATIZIT präsentiert sich der bewaldeten Bergwelt des Außerfern adäquat: groß- zügig und naturnah mit Steinsockel und Holzfassade als Reverenz an die umgebenden heimischen Wälder. Holz ist auch das Material, das den gesamten Bau trägt: Das sichtbare Tragwerk aus heimischer Fichte ermög- licht die optimale Ausnutzung des Raumes und in den massiven Verbindungen des Holzfachwerkes „hängen“ die Büros als Zwischengeschoss – so konnte Platz und Material für eine Zwischendecke eingespart werden.
Funktion
Die Fabik für Schleiferei und Werkzeugbau beherbergt neben der Produktion auch Lager, Büros und Sozial- räume für die über 300 Mitarbeiter:innen. Das architektonische Konzept zielt auf die maximale Ausnutzung des Grundstückes, die Einbettung des Gebäudes in die Umgebung sowie eine hohe Flexibilität für die Produk- tion ab. Entsprechend der Prozesse und Abläufe zur Bearbeitung der Hartmetallwerkzeuge entwarf das Planerteam von ATP ein teils dreigeschossiges Gebäude mit einer Länge von 220 Metern und einer Breite von 85 Metern. Dabei befinden sich im Sockelgeschoss 2 Hallen, im Erdgeschoss 4 Hallen und im Obergeschoss eine Halle für die insgesamt 300 Mitarbeiter:innen, die hier im Dreischichtbetrieb arbeiten.
Eine Spine teilt das Gebäude – gleich einem Rückgrat – in zwei Hälften: in den nördlichen und südlichen Pro- duktionsbereich und im Sockelgeschoss in den nördlichen Produktionsbereich und südlichen Teil mit Technik- und Lagerflächen. Über die Spine erfolgt die gesamte horizontale Erschließung für die technische Versorgung des Gebäudes.
Konstruktion
Hinter der hölzernen Fassade versteckt sich eine massive Fertigteil- und Ortbetontragstruktur: Die Tragkon- struktion des Sockelgeschosses besteht aus Fertigteilstützen und Fertigteilträgern mit darauf gelagerten TT- Platten mit Aufbeton. Im Erdgeschoss wiederholt sich dieser Aufbau im östlichen Bereich. Der westliche Teil besteht aus Fertigteilstützen und Holzfachwerkträgern mit darauf gelagerten KLH-Decken. Die Konstruktion der beiden Teile des Obergeschosses besteht wiederum aus Fertigteilstützen und Holzfachwerkträgern mit darauf gelagerten KLH-Decken. Das Betontragwerk muss auch die Schwingungen der Maschinen abfangen. Alle Außenwände im Sockelgeschoss sind aus Ortbeton, im Inneren sind die Wände zur Aussteifung des Ge- samtgebäudes (Treppenkerne, Schächte, Begrenzungswände der Spine) in Ortbeton sowie Stahlbeton errich- tet. Der Dachaufbau ist als Holztragwerk mit KLH-Decken konstruiert.
Gebäudetechnik
Energie, Heizen, Kühlen & Lüften | Die Photovoltaikanlage auf dem Dach erbringt mit einer Bruttogesamtflä- che von 2.812 m² eine Leistung von 500 Kilowattpeak (kWp). Dies entspricht einer Jahresenergieerzeugung von rund 575.200 Kilowattstunden (kWh). Die Beheizung des Gebäudes erfolgt zudem über die Abwärme der Druckluftkompressoren und Maschinen. Überschüssige Abwärme wird genutzt, um beispielsweise die Zu- fahrtsrampe eisfrei zu halten. Der Innenbereich wird über eine statische Heizung, Radiatoren und Luft- auslässe sowie über Deckeninduktionsauslässe und Raumlüftung beheizt oder gekühlt. In den Produktionshallen sorgen eine Lüftung, Umluftgeräte an der Decke sowie freihängende Induktionsdurchlässe für das optimale Raumklima.
Thermische Grundwassernutzung |Gekühlt wird das Gebäude vor allem mit dem Drainage-Wasser des Han- ges: Um einem künstlichen Rückstau des Grund- und Hangwassers am Grundstück zu begegnen und das an- fallende Wasser zu sammeln und abzuleiten, wurden Drainageleitungen unter dem Fundament angeordnet. ATP entwickelte daraufhin ein energieeffizientes Konzept zur Entnahme der Drainagewässer zur thermischen Nutzung und der anschließenden Rückleitung des Wassers in die Breitenwanger „Ritsche“. Diese thermische Nutzung des Drainage- und Regenwassers erfolgt ganzjährig – im Sommer zum Free Cooling und im Winter zur Betreibung der Wärmepumpen für die Heizung.
Begrüntes Dach | Neben der Außenbegrünung mit widerstandsfähigen heimischen Pflanzen wurde auch das Dach der Produktionshalle in den Fokus von Revitalisierungsmaßnahmen genommen. Auf einer Fläche von 15.000 m² ist es begrünt. Der Vorteil: Das Grün am Dach hilft bei der Verbesserung des Mikroklimas, denn es senkt die Umgebungstemperatur und verhindert somit die Entstehung von Hitzeinseln. Dies sorgt für ein ide- ales Raumklima im Inneren, sodass weniger Energie für die Klimatisierung benötigt wird. Zum anderen dient die Begrünung des Daches als natürlicher Schutz vor Niederschlägen, was zu einer längeren Lebensdauer der Dachabdichtung und somit zu einer Reduzierung der Wartungs- und Reparaturkosten führt. Außerdem ist die Vegetation ein natürlicher Retentionsfilter bei Niederschlag: Bei Starkregen wird das Wasser durch die Pflan- zen und den speziellen Dachaufbau zurückgehalten und verzögert an die Dachentwässerung abgeleitet. So- mit wird die öffentliche Regenwasserableitung entlastet und Überflutungen vorgebeugt. Ein weiterer positiver Effekt der Wasserdrainagen: Durch das Ableiten des überschüssigen Wassers in den nördlich gele- genen Grünlandbereich konnte ein ausgetrocknetes Biotop wieder belebt werden.
Ökonomie/Nachhaltigkeit
Entsprechend den Unternehmenszielen von CERATIZIT und dem ATP Green Deal wurde bei der Planung des Neubaus besonderes Augenmerk auf Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit gelegt. Ein ausreichendes Stromangebot aus der Photovoltaikanlage ermöglicht eine 100-prozentige Energieautarkie beim Heizen und Kühlen. Durch die Verwendung einer Holzfassade sowie einer Dachkonstruktion aus Holz mit Dachbegrünung konnten darüber hinaus sowohl ein gutes Raumklima für die Mitarbeiter:innen als auch ein ansprechendes Gebäude geschaffen werden.
Der Bau dieses energieeffizienten Produktionsgebäudes unterstützt den Weg der Plansee Group, den CO2- Fußabdruck des Unternehmens (Corporate Carbon Footprint, CCF) nachhaltig zu senken. Das wiederum senkt auch den Product Carbon Footprint (PCF) der Produkte von Plansee und CERATIZIT.
Von Anfang an zeichnete sich das Bauvorhaben durch Transparenz, gute Zusammenarbeit und wechselseiti- ges Vertrauen aller am Projekt Beteiligten aus. ATP nutzte vor allem die frühe Phase des Planungsprozesses zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen des Auftraggebers und den Prozessen im Ge- bäude. Die Integrale Planung mit Building Information Modeling (BIM) erwies sich bei diesem komplexen Großprojekt als unverzichtbarer Gamechanger: Sämtliche Daten wurden im digitalen Modell vereint, Kon- flikte frühzeitig erkannt und ausgeräumt. Die Vernetzung aller Gewerke ermöglichte Planungseffizienz und die Vermeidung von Verschwendung.