Projektdaten
Kategorie | Realisierte Bauwerke |
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BauherrIn | B | Braun Melsungen AG |
PlanerIn | Orange Blu building solutions / RSE + |
Fertigstellung | 02.2024 |
Ort | Melsungen |
Bildnachweis | © RSE+ Architekten Ingenieure GmbH |
Die Bauten des 27 ha großen Areals fassen unterschiedliche Betriebsbereiche des Medizintechnikkonzerns zusammen und legen ein architektonisches Thema nahe: das Einfügen eines großen, sich kontinuierlich verändernden Komplexes in eine ländliche Gegend. Charakteristisch für die Anlage ist, dass für die verschiedenen Funktionen unterschiedlich gestaltete Gebäude entworfen wurden. Das Projekt von James Stirling und Michael Wilford mit Walter Nägeli, London/Berlin erhielt 1993 den Architekturpreis Beton.
Der Neubau Active F3 ist ein Produktionsgebäude für medizinische Einmalartikel mit 5 Ebenen und beherbergt zusätzlich auch die Roh- und Hilfsstofflogistik für die Bestandswerke F1 und F2, sowie Räumlichkeiten für die Qualitätssicherung.
ARCHITEKTUR, GESTALTUNG UND BAUTECHNIK
Der Entwurf bietet mit seinem modularen Erweiterungspotenzial große Flexibilität und bringt Ästhetik, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit in Einklang. Er integriert sich optimal in die bestehenden Strukturen der Werksanlage und setzt in seiner architektonischen Disposition die räumlichen und strukturellen Qualitäten der Bestandsgebäude F1 und F2 fort. Teilweise in den Hang eingebettet, bilden das Gebäude F3 und seine angelegte Erweiterung für das Gebäude F4 die sinnfällige Fortsetzung für die räumliche Abgrenzung des Industrieareals, bzw. den Übergang zum bewaldeten Hügel.
Active F3 interpretiert die Fortsetzung des Bestandes neu. Sowohl die Konstruktion, als auch die Anforderungen an Produktion haben sich seit der Fertigstellung von F1/F2 verändert. Diese Innovationen sind in die Planung eingeflossen.
Unsere Thesen für innovativen Industriebau: Modularer Weiterbau des Masterplans, somit soll nur soviel gebaut werden, wie es der aktuelle Flächenbedarf benötigt / Minimaler Landverbrauch durch die Stapelung von Produktions- und Logistikflächen / Verzahnung von Gebäuden und Landschaft / Optimale kreuzungsfreie Verkehrsflüsse von Mitarbeitern und Gütern, sowie eine flexible Erweiterbarkeit.
ÖKONOMIE
Die konsequente Trennung der Güter- und Personenlogistik stellt die optimale Nutzbarkeit sicher, in dem die Wege durch vertikale oder horizontale Anordnung kreuzungsfrei und gefahrlos genutzt werden können.
Grundsätzlich sind Transparenz und Sichtverbindungen in und aus der Produktion, in und aus den Bürobereichen eingeplant worden. Kurze Wege zwischen Büro und Produktion ermöglichen einen schnellen Austausch.
Besucher erhalten von ausgewählten Standorten im Gebäude Einblicke in die Produktion.
SYNERGIEN
Ein wichtiges Gestaltungsmerkmal des Neubaus ist die Entwicklung von Synergien für die Bestandsgebäude F1/ F2. Die Instandhaltung und Werkstatt für alle Gebäude wurden zusammengelegt. Dadurch ergeben sich neue Nutzungen für die Bestandsräumlichkeiten.
Ein neuer verbindender Marktplatz bringt die Mitarbeiter aller Gebäude F1/F2/F3 und Besucher zusammen.
Die Produktionsräume sind über die Außenwände mit Tageslicht versorgt und ermöglichen den Mitarbeitern Blicke in die umgebende Landschaft. So ist im 3-Schichtbetrieb das Gefühl für Tag und Nacht, sowie Jahreszeiten vorhanden.
ENERGIEEFFIZIENZ
Die Gebäudetechnik ist energieeffizient und nutzt die Energie aus dem benachbarten Holzhackschnitzelkraft- werk. Eine Photovoltaikanlage mit ca. 1.400 m² auf den Dachflächen trägt zur Energiegewinnung aus natürlichen Ressourcen bei.
Die Anlage verwendet den erwirtschafteten Strom zu 100% zur Entlastung der Hauptstromversorgung. Es gibt keine anderweite Einspeisung in das Netz der EVU oder anderer über den Mittelspannungsring vernetzten Gebäude.
INNOVATIVE ZONIERUNGEN
Das Gebäude muss besondere Produktionsbedingungen erfüllen, beispielsweise Reinräume mit komplexer Belüftungstechnik oder getrennte Erschließungstreppen je Reinraumklasse. Die fünf Ebenen integrieren dieses komplexe Zonenkonzept, von Produktions-, Material- und Personenflüssen.
EBENE 0
In der Ebene 0 ist das Gebäude über einen Medien-/Versorgungstunnel an die zentrale Energieversorgung des Areals angebunden. Sprinklerzentrale, sowie technische Anlagen befinden ebenfalls auf dieser Ebene. Im Außenbereich auf der Nordseite stehen 6 Granulattanks in einer Bodenvertiefung.
EBENE 1 + 2
In der Hauptebene 1 sind Logistik-, Lager- und Technikflächen untergebracht, auf Ebene 2 ist der Bau an die Mitarbeiter- und Besucherzirkulationssysteme angebunden. Hier befinden sich Büros und Kommunikationsbereiche und die Umkleiden, die zu den darüber liegenden Reinräumen der Produktion führen.
EBENE 3
Auf Hauptebene 3 befindet sich die Reinraum-Fertigung. Sie ist die wichtigste Fläche des Gebäudes. Die auf gleicher Ebene liegende Verpackung ist über automatische Verpackungsmaschinen mit dem Reinraum verbunden. Mittels einem fahrerlosen Transportsystem werden die Produkte über die bestehende Materialtrasse zum Warenverteilzentrum transportiert.
EBENE 4 + 5
In der Ebene 4 ist das Gebäude wiederum an den Bestand angebunden, so wird auch der bestehende Besuchergang ins neue Gebäude weitergeführt. Eine Bürospange schließt das Gebäude nach Osten ab. Die Technikzentrale und die Granulataufbereitung sind auf Ebene 5 untergebracht.
UMSETZUNG VON NACHHALTIGKEITSASPEKTEN
Das Erscheinungsbild des Gebäudes lehnt sich an den Bestand an, interpretiert es aber neu. Die Verwendung von Beton, Metallblech und Glas soll einerseits Dauerhaftigkeit und Pflegeleichtigkeit signalisieren, sowie durch diese „reinen“ Materialien, Analogien zur Sauberkeit und Hygiene für die Medizintechnik zeigen.
Sämtliche Gebäudeverkleidungen und Fenster sind als wartungsarme Metallfassaden ausgeführt. Trotz zunächst höheren Herstellkosten, bewirkt diese, eher für Familienunternehmen typische Entscheidung eine Reduzierung der Kosten des Gebäudebetriebs.
Als Fassadenmaterial kamen folgende Materialien zum Einsatz: eloxiertes Aluminium, Glattblech und Aluminium Lamellen. Das Material ist sortenrein rückbaubar und zu 100% recycelbar. Alle Fassadenbereiche, die bei einer Gebäudeerweiterung rückgebaut werden müssen, sind mit einem billigeren beschichteten Stahltrapezblech verkleidet, um ersichtlich zu machen, dass das Gebäude auf Erweiterung ausgelegt ist