Neubau Krematorium Villingen-Schwenningen

Projektdaten

KategorieRealisierte Bauwerke
BauherrInStadt Villingen-Schwenningen - Technische Dienste - Krematorium
PlanerInAmt für Gebäudewirtschaft und Hochbau - Tobias Walderich B.A. Architekt
Fertigstellung08.2015 - 05.2018
OrtVillingen-Schwenningen
BildnachweisJörg Robold

Das neue Krematorium ist in direkter Nachbarschaft zum Bestandsgebäude in Stahlbetonbauweise mit einer vorgehängten Sichtmauerwerkfassade entstanden. Die Fassade schafft aufgrund des Materiales „Stein“ eine Verbindung zum Bestandsgebäude mit Muschelkalk-Fassade. Die geradlinige Struktur des Klinkersteins sowie die dunkle Farbe schaffen einen spannenden Kontrast, der das Zusammenspiel der zwei Gebäude belebt.

Um der Umgebung in der Nutzung gerecht zu werden, erhielt der Neubau zwei Seiten. Zum denkmalgeschützten Friedhof hin befindet sich die „Ruhige“ Seite mit geschlossenen Fassadenflächen und dem Eingang für die Angehörigen. Auf der Waldseite findet man dagegen die „Operative“ Seite, mit verschiedenen Zugängen für Bestatter, Angestellte, Lieferanten und Techniker. Hier können Wartungen und Überführung problemlos parallel zum Tagesbetrieb ablaufen, ohne dass sich die unterschiedlichen Aktionen gegenseitig stören. Auf der Friedhofsseite ist von diesem ganzen geschäftigen Teil nichts wahrzunehmen.

Das Gebäude wird von zwei schräg gegeneinander laufenden Dachflächen bestimmt. Dieses Dach führt die unterschiedlichsten Raumhöhen zusammen und bildet einen schlichten, schiefwinkligen Baukörper, der sich unaufdringlich in die sensible Umgebung einfügt.

Die Fassade hat große, in weiß hervorgehobene Ausschnitte, welche die Eingänge definieren und die Fassade gliedern.

Die Herausforderungen der Bauaufgabe waren vielfältig. Die sensible, denkmalgeschützte Umgebung, der pietätvolle Umgang mit Verstorbenen und die verschiedensten Anforderungen von Seiten der Mitarbeiter, Bestatter und Besucher sowie aufgrund der komplexen Technik zu erfüllen.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden wurde das neue Krematorium in drei Bereiche unterteilt:

Den Technikbereich bildet in der Hauptsache die mehrgeschossige Anlagenhalle. Sie beinhaltet die Einäscherungsanlage mit der umfangreichen Filtertechnik sowie die Platzvorhaltung für eine zweite Anlage. Mit einer Raumhöhe von bis zu 10 Metern nutzt die Anlagenhalle die Thermik im Innenraum und führt die anfallende Wärme bei Bedarf durch das RWA-Lichtband nach draußen. In sämtlichen Technikräumen wurde sehr viel Wert auf eine strukturierte und schlichte Gestaltung gelegt. Daher wurden die verwendeten Materialien auf ein Minimum reduziert und die Leitungswege akribisch geplant. Es wurde ausschließlich mit Sichtbeton an Decke und Wänden mir großen Schalelementen gearbeitet. Auch hier wurde auf ein stimmiges, durchgängiges Schalbild geachtet.

Ein weiterer Teil des Technikbereiches bildet die Überführungszone. Hier haben die Bestatter Tag und Nacht die Möglichkeit die Verstorbenen zu überführen. Mit der geschaffenen Durchfahrt und dem direkt angrenzenden Kühlraum erwartet die Bestatter höchster Komfort bei ihrer anspruchsvollen Arbeit.

Den zweiten Bereich bildet der Verwaltungs- und Personalbereich. Er beinhaltet die Personalräume sowie die Büroräume und die Steuerzentrale. Hier wurde großer Wert auf die Sichtverbindungen gelegt. Die Mitarbeiter haben von jedem Arbeitsplatz aus Einsicht auf den Innenhof, über den die Bestatter anfahren. So kann der Kontakt zu den Bestattern gesucht werden und das Gebäude erhält einen übersichtlichen Charakter. In den Büro- und Personalräumen wurde mit viel Holz gearbeitet um eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen. So wurden sämtliche Türen, der Parkettboden und die eigens geplanten Möbel in Eschenholz ausgeführt.

Den anspruchsvollsten der drei Bereiche bildet die Abschiednahme. Sie besteht aus einem Foyer, dem Abschiedsraum für die Angehörigen sowie dem Bestattungsraum. Da sich die Angehörigen in einer Extremsituation befinden musste ein Ort geschaffen werden, der Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt und einen sakralen Charakter besitzt. Daher wurde hier in der Gestaltung nicht mit Farben, sondern mit Materialien gearbeitet. So gibt es hier ausschließlich Sichtbetonwände mit einem auf die Raumproportionen abgestimmten Schalbild. Der Boden wurde mit großformatigen Fliesen belegt, in die sich die Einfahrmaschinen harmonisch einfügen ohne das Fliesenraster zu stören. Der Blick auf die Friedhofsanlage wird durch eine Glasfassade ermöglicht. Auf der Außenseite hingegen verhindern große Lamellen geschickt die Sicht vom Friedhof auf den Sarg. Die in zwei Richtungen schräge Decke wurde aus Eschenholz verschiedener Querschnitte nach den Plänen des Architekten erstellt. Sie wird von Lichtbändern durchkreuzt, die keinem Raster folgen und dem schiefwinkligen Raum dadurch eine ganz besondere Atmosphäre geben. Der Abschiedsraum wird vom Bestattungsraum nur durch eine große Glasscheibe getrennt die bewusst ohne Rahmen, Brüstung oder Sturz in der Decke, den Wänden und im Boden verschwindet. So hat der Besucher das Gefühl, er stehe in einem großen Raum und ist ganz nahe beim Verstorbenen und der Bestattung. Die eindrucksvolle Holzdecke verbindet die beiden Räume und wird durch Sitzhocker aus demselben Holz ergänzt. Gemeinsam geben diese Elemente dem Raum die nötige Wärme und bieten einen angenehmen Kontrast zum Sichtbeton. Einzigartig ist die Verkleidung der Kremationsanlage, die in Naturstein ausgeführt wurde. Sie wird durch die schwarze Wand hervorgehoben, nimmt der Anlage den technischen Charakter und wird zum Blickfang des Abschiedsraumes. So ist ein hochwertiger, ansprechender Raum entstanden, der den Angehörigen den angemessenen Rahmen gibt, um sich von dem Verstorbenen zu verabschieden. Die Heizlast des Neubaus sowie des Bestandsgebäudes kann im Normalbetrieb recourcenschonend über die Abwärme der Kremationsanlage abgedeckt werden. Hierfür wurde ein Pufferspeicher mit 16m³ Volumen und einer Höhe von 8,60m ins Gebäude eingebracht. Bei der Lüftungsanlage wurde bewusst auf ein Kühlaggregat verzichtet und stattdessen ein Luft-Erdwärmetauscher umgesetzt. Dieser sorgt neben der kühlen Luft im Sommer dafür, dass Spitzenlasten in der Heizperiode reduziert werden. Die Kühlräume wurden in kleinere, separat steuerbare Bereiche eingeteilt, um auch hier nach Möglichkeit Energie einzusparen.