Neubau Produktionshalle Herrmann GmbH

Projektdaten

KategorieRealisierte Bauwerke
BauherrInHerrmann GbR
PlanerInREDLE ARCHITEKTEN
Fertigstellung02.2020
OrtLeutkirch
BildnachweisStefan Redle

Bauherrschaft

Die Herrmann GmbH ist in den Tätigkeitsfeldern Zerspanungstechnik, Spritzgusstechnik, Kabel-konfektion und Baugruppenmontage stetig gewachsen. Um die wechselnden und sich verändernden Aufgabenbereichen des Unternehmens zukünftig bewältigen zu können war die Umsiedlung in eine neue, maßgeschneiderte Produktionshalle erforderlich. Besonderes Augenmerk beim Neubau war auf die Flexibilität der komplexen Herstellungsprozesse gerichtet.

Baukörper

Mit ihren quadratischen Maßen von 50 Metern Länge und Breite sowie einer Höhe von 13,5 Metern umschließt die Produktionshalle einen umbauten Raum von 34.000 Kubikmetern und bietet mit einem Seitengebäude eine Nutzfläche von 3.400 Quadratmetern. Dominiert wird der Gesamtbaukörper vom voluminösen Quader der Produktionshalle. Das an der Ostseite direkt angefügte, geschossweise abgestufte und turmartig auslaufende Nebengebäude ist von der Architektur und Nutzung bereits so konzipiert, dass es bei einer spiegelbildlichen baulichen Erweiterung als Achse und Gelenk für den späteren Gesamtkomplex dienen wird. Diese architektonische Funktion wird bereits jetzt von der Außenhaut betont, die sich mit puristisch grauen Sichtbetonflächen streng von der gerasterten Hallenarchitektur abgrenzt.

Konstruktion

Ein wertbeständiges Gebäude sollte der Neubau werden, mit einer effizienten Gebäudehülle und Gebäudetechnik nach dem KfW-55 Effizienzhausstandard. Als Basis der Gesamtfläche dient eine an der Oberfläche rohe und unbeschichtete, jedoch unterseitig gedämmte Industrie-betonbodenplatte. Ein Skelett aus eingespannten Stahlbetonstützen bildet die Tragkonstruktion, die in zwei Feldern von Stahlbeton-Dachträgern überspannt wird. Auf rund neun Metern Höhe laufen auf Konsolen zwei Portalkräne, die beim Wechsel von Produktionslinien die Installations- und Umsetzzeiten der Maschinen minimieren. Auch ein auf halber Höhe umlaufender Stahl-Wartungsgang dient der Effizienz betrieblicher Abläufe und gleichzeitig als zentrale Medientrasse in der Halle.

Fassadengestaltung

Im Vergleich zur formalen Zurückhaltung des Baukörpers spielen die Vorhangfassaden des Hallenquaders regelrecht mit ihrer eigenen Variabilität und mit der Geometrie des rundum nahezu geschlossenen Baukörpers. Im spannenden Wechsel von Rasterung und Farbigkeit nehmen die dadurch kleinteilig wirkenden Flächen dem großen Volumen die Massigkeit. Zugleich erhält jede einzelne Fassadenfläche und in deren Addition das gesamte Gebäude eine eigene hohe Gestaltungsqualität. Dabei sorgt eine um das Gebäude geführte horizontale Dreiteilung der Flächen für eine optische Reduktion der Gebäudehöhe. Diese Empfindung beruht auf betonten Einschnürungen durch Horizontalfugen, die mit der vertikalen Fassadenrasterung korrespondieren. Die Fassadenteilung in der Sockelzone markiert ein rund drei Meter hoch gezogener Sichtbetonstreifen, der in der Erschließungs- und Rückfassade zu einem Fensterband aufgelöst wurde.

Gebäudetechnik

Bei der Produktion kommt eine Vielzahl an hochmodernen Maschinen zum Einsatz, z. B. für spanende Bearbeitung, Kabelkonfektionierung oder Kunststoffspritzen. Die hierfür erforderliche Energie wird in Form von elektrischem Strom benötigt und letztendlich durch den jeweiligen Fertigungsprozess in Wärme umgesetzt. Die „Abwärme“ muss über Kühlsysteme abgeführt werden, um ein Überhitzen der Maschinen und Produkte zu vermeiden. Das heißt, zum einen fällt viel Abwärme an und zum anderen tut sie das auf einem moderaten Temperaturniveau zwischen 20 °C und 30 °C. Aus diesem Grund basiert das entwickelte Heiz- und Kühlkonzept auf zwei wesentlichen Prinzipien:

  1. In der Heizperiode wird möglichst viel „Abwärme“ aus Maschinenpark und Serverbetrieb über eine Wärmepumpe in das Heizsystem übergeführt und kann so weiter im Gebäude genutzt werden. Der hohe energetische Standard der Gebäudehülle unterstützt diese Systematik indem Wärmeverluste nach außen geringgehalten werden. Zusätzlich sind die Heizsysteme auf ein niedriges Temperaturniveau mit ≤ 40 °C Vorlauftemperatur ausgelegt, damit die Wärmepumpe möglichst effizient arbeitet und damit möglichst wenig Strom benötigt. Die „Abwärme“ aus den Druckluftkompressoren kann auf einem Temperaturniveau von 45 °C direkt genutzt werden.
  2. Wegen des hohen Temperaturniveaus der Maschinenkühlung sind auch die Klimakälteverbraucher, wie Flächenkühlsysteme (Industrieflächenkühlung, Fußboden-kühlung) und Lüftungsregister auf hohe Vorlauftemperaturen von 18 °C ausgelegt. Dies ermöglicht, dass alle Kälteverbraucher mit „natürlicher Kälte“ aus einem Brunnensystem und teilweise optional aus einem Verdunstungskühlturm versorgt werden können und keine weitere maschinelle Kühlung benötigt wird. Das Brunnenwasser ist dabei durch eine Systemtrennung mit Hilfe von Wärmetauschern vollständig vor Verunreinigungen geschützt.
    Die Lüftungs-, Kälte-, und Wärmeversorgungssysteme sind so konzipiert, dass sie möglichst wenig Verluste verursachen. So ist das Lüftungssystem mit runden Querschnitten geplant worden, da hier das Verhältnis von Reibungsfläche zu durchströmter Querschnittsfläche minimal ist und damit Reibung und Druckverlust niedriger sind. Und somit der Stromverbrauch der Lüftungsventilatoren reduziert wird. In den Kälte- und Wärmeverteilnetzen sind die Pumpen bedarfsgeregelt, um auch hier den Pumpenstromverbrauch niedrig zu halten. Zusätzlich führen die bereits genannten niedrigen Heizwassertemperaturen und die hohen Kaltwasser-temperaturen zu geringen Energieverlusten an die Umgebung.

Die Verteilsysteme der Versorgungsmedien wurden so geplant, dass sie eine möglichst flexible Gestaltung der Produktion bieten. So werden Klimatisierungskälte und –wärme über Flächen-temperiersysteme und die Lüftung eingebracht, damit keine weiteren, den Produktionsbereich beeinträchtigenden wartungsintensiven Übergabegeräte benötigt werden. Die Luftverteilung erfolgt von der Decke aus und die Auslässe sind auf mindestens 2,5 m Höhe angeordnet, um den Produktionsbereich nicht zu stören. Dabei handelt es sich um spezielle Verdrängungsauslässe, welche die kalte Luft während des Kühlbetriebs horizontal als Kaltluftsee abgeben, der dann langsam absinkt. Im Heizbetrieb wird die warme Luft vertikal impulsbehaftet nach unten abgegeben, sodass sich am Boden ein Warmluftsee bildet, der dann langsam aufsteigt. So werden auch Zugerscheinungen im Aufenthaltsbereich vermieden.