Projektdaten
Kategorie | Realisierte Bauwerke |
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BauherrIn | LHS Stuttgart, Tiefbauamt, Eigenbetrieb Stadtentwässerung Stuttgart (SES) |
PlanerIn | scholl architekten partnerschaft mbB scholl.balbach.walker |
Fertigstellung | 07.2022 |
Ort | Stuttgart |
Bildnachweis | Hans Jürgen Landes |
Impulsgeber war die Entscheidung, die Bauaufgabe für die betrieblichen Funktionen Werkstatt, Büro, Besprechung, Umkleide, Lager, Schulung, Archiv und Fahrzeughalle mit einem als Tor zur Öffentlichkeit gedachten Besucherempfangs- und Informationszentrum zu verbinden.
Im Kontext mit dem Neckardamm, der auf dem Baugrundstück das Betriebsgelände säumt, löst der aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangene Entwurf die Aufgabe mit einem in die Dammböschung eingebetteten Baukörper, der als raumgreifende skulpturale Architektur die unterschiedlichen Nutzungsbereiche horizontal in zwei Raumzonen gliedert:
Auf Betriebsebene die Wirtschaftsräume in einem aus Wandscheiben bestehenden Sockel, auf Dammkronenebene die sich auf drei Seiten nach außen öffnenden öffentlichen Flächen unter einer weit auskragenden Dachscheibe ohne sichtbare lastabtragende Bauteile.
Der Besucherebene ist ein öffentlicher Platz vorgelagert, der sich in einem Plateau auf das Betriebsgelände fortsetzt und über eine Rampe den schwellenfreien Übergang auf das Betriebsgelände herstellt. Freistehende Wandscheiben auf Platzebene zonieren räumlich Außen- und Innenraum und funktional den Weg vom öffentlichen Raum auf das Klärwerksgelände. Die bauliche Verbindung von Rampe, Plateau und Dachscheibe mit einer durchgehend 55 Zentimeter breiten Kante bilden eine prägnante Figur, die in einem stützenfreien Vordach einen Abschluss zu findet.
Während die Besucherempfangs- und Informationsebene aus einem durchgehenden, nur durch zwei Kerne zonierten Raum mit dreiseitiger raumhoher Verglasung besteht, begrenzen die Betriebsräume massive Wandscheiben, deren Zwischenräume über raumhohe Türen und Fenster als Raumverbindung, Gebäudezugang und Tageslichtöffnung dienen.
In der Sockelebene erlauben Verbindungstüren entlang der Außenwand eine flexible Nutzung und Erschließung aller zentralen Betriebsräume. Lagerräume sind teilweise über zwei Raumzugänge erschlossen, was nachträglich eine funktionale Trennung ermöglicht.
Die Besucherebene besteht aus einem Raumkontinuum, das durch Schiebetüren in ein Foyer, einen Ausstellungs- und Veranstaltungsraum sowie einen Projektraum unterteilt werden kann. In die beiden Kerne sind den Raumzonen die der jeweiligen Funktion zugeordneten Einbauten, ein Labortisch, ein Prospektschrank und eine Medienstation mit Monitor, integriert.
Die Besonderheit der Tragkonstruktion besteht in der Sichtbarkeit von Außenwänden und Geschossdecken ohne thermische Trennung untereinander. Diese Bauweise ist dem Versatz zwischen dem massiven Sockel und dem auf zwei tragende Kerne reduzierten Obergeschoss geschuldet. Ursprünglich in Leichtbeton und Betonkerntemperierung mittels Abwärme der Klärschlammverbrennung vorgesehen, sind Wände und Decken zur Außenluft konsequent innenseitig gedämmt, Außenwände mit Schaumglas sowie Bodenplatte und Geschossdecke mit Schüttdämmung aus EPS-Recyclinggranulat.
Bis auf die Sanitärräume bildet eine schwarze PUR-Bodenbeschichtung den Kontrast zu den Wand- und Deckenflächen und stellt eine Einheitlichkeit zwischen den beiden Ebenen her. In den Erschließungszonen und Nebenräumen bleiben die Wände und Decken unbekleidet in Sichtbeton SB3. In der Betriebsebene sorgen die Holzoberflächen der Wandbekleidungen, Einbauten und Fensterprofile eine angenehme warme Arbeitsumgebung, während in der Besucherebene weiße Wandflächen und weiß beschichtete Holzlamellen der Abhangdecke eine neutrale Kulisse für Veranstaltungen und Präsentationen schaffen.
Außen ist das Oberflächenkonzept auf die hellen Sichtbetonflächen der Tragkonstruktion und schwarz beschichtete Fenster- und Fassadenprofile begrenzt. Neben der neutralen Beschichtung der Fassadenelemente unterstützen die Integration der Öffnungsflügel in die Fensterzargen und die opaken Flächen der Öffnungselemente und Türen in den Fassadenfeldern die Abstraktion des äußeren Erscheinungsbilds. Auskragende Deckenkanten und Attiken können aufgrund der massiven, fugenlosen Bauweise frei von störenden Blechabdeckungen bleiben. Die bewitterten Flächen werden oberseitig durch eine 2K-Beschichtung und außenseitig durch eine Hydrophobierung geschützt, die konkav ausgebildeten Kronen der freistehenden Wände mit integrierter Entwässerung verhindern eine unkontrollierte Wasserableitung über die Wandflächen.
Da es sich bei der Besucherebene um eine Versammlungsstätte handelt, dient die vorgeschriebene Lüftungsanlage gleichzeitig der Grundlüftung aller Räume und sorgt damit witterungsunabhängig für hohe Raumluftqualität. Ungeachtet davon können alle Räume natürlich belüftet werden. Außenluftansaugung und Fortluftableitung sind von außen verdeckt in die Gebäudehülle integriert. In den Räumen sind nur die Zuluftauslässe sichtbar, die Abluft erfolgt über Fugen in den Ausbauflächen und verdeckt angeordnete Abluftöffnungen. Die zentrale Rückgewinnung der Abluftwärme reduziert den Heizwärmebedarf.
Der Heizwärmebedarf wird vollständig durch die im Klärwerk anfallende Prozesswärme und damit ohne Belastung der Umwelt und weiterer Ressourcen abgedeckt. Die Wärmeverteilung im Gebäude erfolgt über ein Niedertemperaturheizungssystem im Fußbodenaufbau, bei dem einerseits auf Heizkörper verzichtet werden kann, andererseits in der Zukunft der Ersatz durch regenerative Wärmeerzeugungssysteme möglich ist. Zusätzlich erlaubt der Anschluss an das Betriebswassernetz eine Grundkühlung des Gebäudes über den Boden.
Sowohl in der Besucher- als auch in der Betriebsebene steht ein von störenden Haustechnik- Installationen freier Raum im Mittelpunkt.
Nachhaltigkeit spiegelt sich nicht nur in der Materialwahl und der Schonung von Ressourcen wider, sondern auch in der gestalterischen Qualität. Nicht nur in den öffentlichen, sondern auch in den betrieblich genutzten Bereichen wurde in der Planung durchgängig auf eine sorgfältige Detaillierung geachtet. Das betrifft sowohl in Konstruktion und Ausbau integrierte Installationen als auch die geometrischen Bezüge der Einzelbauteile und -flächen untereinander.
Im Bereich der Sichtbetonflächen bestimmt das Rastermaß der Schalungsplatten und Spannlöcher die Ausbaugeometrien, in der Besucherebene das einheitliche Rastermaß der P/R-Fassade. Ein sorgfältig abgestimmtes Fliesenraster in den Sanitärräumen vermeidet Plattenschnitte und Fugenversätze zwischen Boden- und Wandflächen.
Ein weiterer Aspekt der Nachhaltigkeit des Projekts ist die individuelle handwerkliche Ausführung und der weitgehende Verzicht auf industrielle Bausysteme. Neben den hochwertigen Betonwand- und Deckenflächen, die den sorgfältigen Herstellungsprozess abbilden, sind weitere plakative Beispiele die individuell geplanten Holzprofile der Fenster in der Betriebsebene für ein identisches inneres und äußeres Erscheinungsbild von festverglasten und öffenbaren Elementen, der Ausbau mit flächenbündiger Integration der Türen und Einbauten, die individuell dimensionierte Lamellendecke mit Integration von Leuchten und Stromschienen sowie frei stehende Waschsäulen aus Mineralwerkstoff mit integriertem Seifen- und Papierspender und Abfallkorb.
Gegen Vogelschlag ist die Verglasung der Besucherebene wegen der beidseitigen Verglasung mit einer von der Vogelwarte CH empfohlenen Vogelschutzmarkierung ausgestattet.
Als Beitrag zur Ressourcenschonung unterschreitet das Gebäude in seinen energetischen Werten die Anforderungen um 30 Prozent.