Projektdaten
Kategorie | Nachwuchs |
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Art der Arbeit | Masterarbeit, Wissenschaftliche Arbeit |
BetreuerIn | Dipl. Ing. M. Sc. Industrial REM Benedikt Gondolf |
PrüferIn | Prof. Dr.-Ing. Claus Nesensohn |
BearbeiterIn | André Frömming |
Studiengang/Hochschule | Hochschule für Technik Stuttgart, Bauprozessmanagement |
Lean ist eine Philosophie, die eine Möglichkeit bietet, das Produktivitätsproblem der Bauindustrie zu beheben und findet bereits Anwendung in einigen großen Unternehmen. Doch kann dieser Einsatz von Lean auch dazu beitragen, die Nachhaltigkeitsprobleme der Bauindustrie zu lösen? Diese Frage soll in dieser Arbeit mittels zweier Forschungsfragen geklärt werden.
Forschungsfrage 1: Wie unterstützt Lean die Nachhaltigkeit von Industriebau-Projekten in der Planungs-, Ausführungs- und Bewirtschaftungsphase?
Forschungsfrage 2: Durch welche Kennzahlen lassen sich die Synergien der Lean-Philosophie und der Nachhaltigkeit erfassen?
Nachhaltigkeit meint, dass so gewirtschaftet wird, dass die Menge von natürlichen Ressourcen sowohl für die aktuelle Generation als auch für zukünftige Generationen ausreicht, um die Lebensqualität zu gewährleisten. Sie besteht aus einer sozialen, einer ökonomischen und einer ökologischen Ebene die alle gleich gewichtet werden.
Lean bedeutet übersetzt „schlank“. Lean ist eine Managementphilosophie, deren Ziel es ist, Qualität für den Kunden zu generieren, ohne dabei Verschwendung zu haben. Dazu nutzt Lean die fünf Prinzipien Kundenwert, Wertstrom, Fluss, Pull und kontinuierliche Verbesserung. Zur Erfassung der Wechselwirkungen zwischen Lean und Nachhaltigkeit nutzt die Arbeit das Paper „Lean and green – a systematic review of the state of the art literature“ von Garza-Reyes (2015), in der er eine systematische Literaturrecherche auf verschiedenen Plattformen durchführt. Diese Arbeit baut auf diesen Erkenntnissen auf und führt ihrerseits eine systematische Literaturrecherche auf der Plattform der International Group for Lean Construction (IGLC) durch. Die gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend Indikatoren der Nachhaltigkeit zugeordnet, die von Johnsen & Drevland, 2016 entwickelt wurden. Daneben wird der Einfluss wichtiger Werkzeuge aus Lean Design und Lean Construction auf die Nachhaltigkeit untersucht. Die Ergebnisse werden im Verlauf der Arbeit durch Expertengespräche validiert und nach der Methodik von Mayring ausgewertet.
Um zu beleuchten, welche Kennzahlen genutzt werden können, um den Einfluss von Lean auf die Nachhaltigkeit zu erfassen, wird der aktuelle Zertifizierungskatalog der Deutschen Gesellschaft Nachhaltiges Bauen (DGNB) untersucht und mit weiteren Kennzahlen, welche die Nachhaltigkeit erfassen sollen, angereichert. Dort wird in einem zweiten Schritt argumentiert, welche Kennzahlen Rückschlüsse auf die verschiedenen Synergien von Lean und Nachhaltigkeit bieten. Am Ende werden die Kennzahlen und die Synergien in einer Matrix zusammengeführt. Aus diesem Vorgehen sind die folgenden Ergebnisse entstanden.
Als erstes konnte nachgewiesen werden, dass Lean einen positiven Einfluss auf die ökologische, ökonomische und soziale Ebene der Nachhaltigkeit haben kann. Dieser positive Einfluss begründet sich im wesentlichen in drei Aspekten.
Beim ersten Aspekt handelt es sich um den Fokus auf den Kundenwert von Lean. Es geht darum den Bedarf des Kunden zu ermitteln und diesen zu erfüllen. Dabei gilt alles, was nicht dem Erreichen des Kundenwertes als Verschwendung, die es zu vermeiden gilt. Durch den Kundenwert lassen sich einerseits Nachhaltigkeitsziele im Projekt verankern und die Prozesse entsprechend darauf anzupassen. Anderseits bietet die Definition des Kunden Potential. Durch die Definition des Nutzers als Kunden besteht beispielsweise die Möglichkeit auch die Betriebsphase durch Lean besser zu berücksichtigen.
Die Experten sehen es als Möglichkeit, Projekte zu einem sehr frühen Zeitpunkt wesentlich zu beeinflussen und damit die Nachhaltigkeit zu prägen. Durch den Fokus auf die Erfüllung des Kundenbedarfes wird nur das gebaut, was tatsächlich benötigt wird. Dazu bietet Lean Design einige Methoden wie Target Value Design, integriertes Design und Value Stream Design. Die Experten stellen fest, dass das Interesse der Bauherrn bezüglich der Nachhaltigkeit zwar zugenommen hat, die Priorität ist allerdings immernoch nicht so hoch wie bei Büro- und Wohngebäuden.
Der zweite Aspekt ist der Respekt für den Menschen, der Lean zugrunde liegt. Daher werden bei Lean die Mitarbeiter aktiv in Prozesse einbezogen. Außerdem wird bei Lean auf Transparenz und Visualisierung gesetzt. Nach den Experten und der Literatur kann dadurch die Gesundheit und die Sicherheit der Mitarbeiter erhöht und gleichzeitig die Stressbelastung gesenkt werden. Damit unterstützt dieser Aspekt vor allem die soziale Ebene der Nachhaltigkeit. Es handelt sich dabei um einen Aspekt, der sich vor allem während der Ausführung einsetzen lässt und Vorteile für die Arbeitbedingungen durch Werkzeuge wie 5S bietet.
Der dritte Aspekt ist das Streben von Lean nach kontinuierlicher Verbesserung. Durch dieses Streben nach kontinuierlicher Verbesserung in Verbindung des Denkens in Prozessen von Lean, können optimale, nachhaltige Lösungen erarbeitet werden und als Standards festgelegt werden. Aus Sicht von Experten erlaubt der Aspekt, standardisierte Prozesse zu entwickeln und auf verschiedene Projekte anzuwenden und so nachhaltige Lösungen in der gesamten Bauindustrie zu fördern. Der Vorteil liegt für die Experten vor allem darin, dass das Prozessdenken eine Vergleichbarkeit von Projekten schafft. Darüber hinaus kann die kontinuierliche Verbesserung flexibel auf verschiedenen Teilbereiche und Teildisziplinen eines Projektes angewendet und die Nachhaltigkeit verbessert werden.
Konflikte zwischen Lean und Nachhaltigkeit bestehen nach der Meinung von Experten in der Praxis nicht.
In einem zweiten Schritt konnten verschiedene Kennzahlen ermittelt werden, durch die der Einfluss von Lean auf die Nachhaltigkeit erfasst werden kann. Um den ökologischen Einfluss von Lean zu erfassen, können Kennzahlen zum Ressourcenverbrauch und die Treibhausgas-Emissionen genutzt werden.
Die ökonomische Nachhaltigkeit lässt sich hauptsächlich durch Kennzahlen der Prozessstabilität betrachten. Als Prozesskennzahlen kann die Anzahl der Mängel oder der Anteil der eingehaltenen Zusagen erfasst werden.
Die soziale Ebene lässt sich durch das Social Return of Investment erfassen. Dabei handelt es sich um einen Kennwert, bei dem Aspekten wie Überstunden ein monetärer Gegenwert zugeordnet wird. Ein weiterer Kennwert, der sehr flexibel und abhängig vom Kundenwert genutzt werden kann, ist die Kundenzufriedenheit.
Durch die Erfahrungen und die gewonnenen Ergebnisse sind an einigen Stellen Potentiale zur Verbesserung aufgefallen. Zum einen betrachtet die Masterarbeit nur einen stark eingeschränkten Bereich der Literatur, dadurch, dass sie sich hauptsächlich auf die Literatur der IGLC stützt. Zum anderen werden einige Themen nur beiläufig behandelt. Beispielsweise wird nur bedingt untersucht, wie Lean in Verbindung mit der Digitalisierung die Nachhaltigkeit von Projekten verbessern kann. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Kennzahlen, die ermittelt werden, nicht validiert sind. Diese müssten dazu in verschiedenen Projekten untersucht werden, um zu prüfen, ob der Einsatz von Lean tatsächlich zu Veränderungen in den Kennzahlen führt. Auf diese Aspekte wurde verzichtet, da sie den zeitlichen Umfang der Arbeit gesprengt hätten.
Dennoch konnte bewiesen werden, dass Lean die Nachhaltigkeit unterstützt. Nun gilt es, diese Synergien optimal in der Praxis zu nutzen. Die Experten sehen hierfür die Planungsphase als entscheidend, da dort die wichtigen Grundentscheidungen für ein Projekt getroffen werden. Dort gilt es die Lean-Methoden, wie Traget- Value-Design, Set-Based-Design, Value-Stream-Design und das integrierte Design so einzusetzen, dass sie die Nachhaltigkeit von Projekten verbessern.