Produktionserweiterung Halle 2 rossmanith fenster + fassade

Projektdaten

StatusSieger
KategorieRealisierte Bauwerke
BauherrInrossmanith fenster + fassade Rossmanith GmbH
PlanerInAAg Architekten GmbH
Fertigstellung04.2022
OrtHeidelberg
Weitere ProjektbeteiligteProfessor Pfeifer u. Partner PartGmbB (Tragwerksplanung & Bauphysik); RBC GmbH (Lichtplanung); BALCK+PARTNER Facility Engineering (Energetische Beratung)
BildnachweisThomas Ott

Die Dachkonstruktion besteht aus sichtbaren Leimholzbindern mit darauf liegenden Sparren. Durch die Fenster mit integrierten Lichtlenklamellen, die Lichtkuppeln und die verglasten Tore ist die Halle mit Tageslicht durchflutet. Zwischen den Doppelleimbindern integrierte LED Bänder versorgen die Halle mit Kunstlicht. Medienschränke in jeder Achse versorgen die Produktion. Die Wände und das Dach bleiben weitestgehend frei von Installationen. Ein maximal nutzbares Volumen für die Produktion.

Energetisches Konzept

Die Halle ist im KfW 55 Standard errichtet. Die Heizung erfolgt über Geothermie, Wärmepumpen und eine aktivierte, hoch belastbare, schwimmende Betonbodenplatte. Eine auf dem Dach installierte Photovoltaik Anlage mit 103 kWp (ca. 113.000kWh Jahresproduktion) liefert ausreichend Energie für den Gebäudebetrieb. Darüber hinaus erzeugte Energie wird direkt in den maschinellen Produktionsprozessen verwendet. Somit wird ein Maximum an regenerativer Energie für den Eigenbetrieb selbst genutzt.

Zur Tragwerksplanung

Der erste Eindruck mag trügen,bei diesem Bauvorhaben wurden jedoch neue Wege beschritten.

Die Halle mit einer Länge von 90 m und einer Breite von gut 20 m stellt hinsichtlich der Tragwerkslösung etwas Besonderes dar.

Bei der Wahl des Haupt-Konstruktionsmaterials spielte insbesondere der Gedanke der Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle. Ziel war es, den Wandaufbau geometrisch möglichst einfach, mit durchgehenden glatten Oberflächen, für die verschiedenen Eigenschaften wie Raumabschluss, Tragfähigkeit, Wärme- und Schallschutz mit nur einem einzigen Material zu erstellen.

Aus den Anforderungen der Nutzung heraus gibt es über die Gesamtlänge von 90 m keine einzige aussteifende Querwand, keine eingespannten Stützen, keine Rahmen oder sonstige tragende Elemente zur Aufnahme horizontaler Lasten, die die Eleganz der geradlinigen einfachen Struktur stören würden.

Es war geplant, die 9,0 m hohen Wände aus Gründen der sortenreinen Trennbarkeit der Materialien gänzlich unbewehrt mit Sichtbetonflächen innen und außen herzustellen, gleichwohl sollte die Stärke auf das statisch und wärmetechnisch absolut minimale Maß begrenzt werden. So wurden tatsächlich unbewehrte Wände mit 35 cm Dicke in den Längs- und 40 cm in den Giebelseiten vorgesehen und berechnet, die im Abstand von 8,8 m hohe Einzellasten von je ca. 40 Tonnen aus den über 20 m weit gespannten Brettschichtholz-Doppelträgern, sowie zwei Portalkräne mit jeweils 6 Tonnen dynamischer Last, zu tragen haben. Für den Wärmeschutz, wurden die Wände in „sehr leichtem“ LIAPOR Leichtbeton der Festigkeitsklasse LC12/13 mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,20 W/mK geplant. Wenn man den Beton ohne Bewehrung bauen will, muss die für die Berechnung ansetzbare Festigkeit dieses LC12 nicht nur mit dem „normalen“ Sicherheitsfaktor von 1,5, sondern darüber hinaus auch noch mit dem Faktor 0,7 abgemindert werden. Die zulässigen Spannungen werden dadurch auf 5,6 MN/m², in gewohnten Maßen gesprochen sind das 56 kg/cm², reduziert.

Erschwerend kommt hinzu, dass die senkrecht auf die Wände treffenden Windlasten bei einer vertikalen Spannweite zwischen Fundament und Dachscheibe von knapp 9,0 m bis zur Traufkante bzw. 8,0 m bis zum Trägerauflager, gehörige Biegung in den Wänden erzeugen. Beton hat wie Mauerwerk bekanntlich nur sehr geringe Festigkeit gegen Zug, bei Leichtbeton ist sie noch deutlich geringer. Sie darf generell nicht für Tragfähigkeitsnachweise in Ansatz gebracht werden. Biegung kann deshalb nur dann aufgenommen werden, wenn gleichzeitig genügend große Druckkräfte durch die Vertikalkräfte aus dem Dach einwirken. Es bildet sich dann praktisch ein flaches vertikal gespanntes „Gewölbe“ in der Wand, das von diesen Druckkräften zusammengehalten wird, etwa so als würde man 20 Bücher gleichzeitig aus dem Regal nehmen und sie dazu horizontal zusammenpressen.

Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass in der Längswand Ost regelmäßig große Tore mit einer Breite von 4,8m und einer Höhe von 4,1 m angeordnet sind. Damit verbleiben zwischen den Toren Wandabschnitte von je 4,0 m Länge. Der Leichtbeton hat die Eigenschaft, dass das Schwinden 50% größer ist als bei Normalbeton und rund 0,5 mm/m beträgt, was zu einer Verkürzung der Gesamtwand um 45 mm führt. Aus diesem Grund wurden in die Längswände im Abstand von 8,8 m vertikale Schwindfugen eingebaut, die auf der Torseite im Osten in die Mitte über den Toren angeordnet wurden. Die rechnerische Verkürzung eines Abschnittes beträgt damit nur noch ca. 4,5 mm. Eine Anordnung mittig zwischen den Toren war aufgrund der Lasteinleitung durch die Dachbinder nicht möglich. In den Giebelseiten wurde jeweils nur eine Fuge eingebaut. Auf Grund dieser Anordnung auf der Torseite entstanden hammerkopfartige Wandelemente mit 4,0 m Breite zwischen den Toren und 8,8 m Breite oberhalb der Tore, die mittig die Einzellasten der Binder tragen und jeweils 2,40 m über den Toren als „Wandscheiben“ auskragen. Dies geht nicht ohne Bewehrung. Diese wurde sodann in Form horizontaler Zugbänder am oberen Rand eingebaut. Sie wirkt mit schrägen Druckstreben im Beton als inneres Fachwerk. Das Eigengewicht der unterhalb der Druckstreben liegenden Betonfläche wird durch vertikale Bewehrung hochgehängt.

In der gegenüber liegenden Westwand wurden ebenfalls vertikale Fugen im Abstand von 8,8 m eingebaut, die Schwierigkeit auskragender Scheiben wie bei den Toren bestand jedoch bei den unregelmäßig angeordneten quadratischen Fensteröffnungen nicht. Aufgrund der Empfindlichkeit dieses Betons gegenüber Kantenabplatzungen wurden sämtliche Öffnungen sowie die Wandenden an Ecken und Fugen mit U-förmigen Bügeln und Vertikalstäben in den Ecken eingefasst.

Neben den Windlasten waren schließlich noch Anpralllasten von Gabelstaplern und Lastwagen anzusetzen. In Absprache mit dem Prüfingenieur wurden dafür rechts und links der Toröffnungen, neben den großen Öffnungen an den Giebelseiten sowie entlang der Fugen in der Westwand vertikale „Pfeiler“ mit Bewehrung eingebaut, so dass die dazwischen liegenden Wandbereiche mit schwacher Bewehrung statisch wie „Ausfachungsmauerwerk“ behandelt werden konnten.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Es wurde ein energetisch und statisch optimiertes Produktionsgebäude in Leichtbeton, aus monolitisch, minimalistischen Wänden errichtet.

Das Erfahren von sinnvoller Architektur im Alltäglichen ist nicht zu überschätzen. Eine Werkhalle als monolithischer Körper aus unbewehrtem Leichtbeton, der Fenster und Öffnungen paradigmatisch thematisiert, steht erfahrbar für Sinnhaftigkeit, Verantwortung, Nachhaltigkeit und Innovation im Alltag.